Deutschland steht vor der Herausforderung, seine Wärmeversorgung klimaneutral zu gestalten. Während der Stromsektor bereits Fortschritte macht, hinkt der Wärmebereich hinterher. Hier bietet die Geothermie, also die Nutzung von Erdwärme, ein enormes, noch nicht voll ausgeschöpftes Potenzial.
Was ist Geothermie?
Geothermie nutzt die im Erdinneren gespeicherte Wärme. Diese Wärme stammt teils aus der Entstehungszeit der Erde, teils entsteht sie durch den kontinuierlichen Zerfall radioaktiver Elemente. Der Großteil der Erdmasse ist über 1.000 Grad Celsius heiß. Selbst in den oberen Schichten der Erdkruste herrschen hohe Temperaturen. Diese Wärme kann genutzt werden, um umweltfreundlich Energie zu erzeugen.
Grundlagen der Geothermie
Ein großer Vorteil der Geothermie ist ihre Grundlastfähigkeit. Sie liefert rund um die Uhr Energie – anders als Wind- oder Sonnenenergie, die wetterabhängig sind. Geothermie ist also eine verlässliche Energiequelle.
Oberflächennahe und tiefe Geothermie
Man unterscheidet zwei Arten: oberflächennahe und tiefe Geothermie. Die oberflächennahe Geothermie reicht bis etwa 400 Meter Tiefe. Hier werden oft Erdwärmesonden mit Wärmepumpen kombiniert, um Gebäude zu heizen und zu kühlen. Über 440.000 solcher Anlagen gibt es bereits in Deutschland, wie aus Informationen des Fraunhofer IEG hervorgeht. Die tiefe Geothermie nutzt Wärmequellen in Tiefen von mehreren hundert bis tausend Metern. Oft kommen hier hydrothermale Systeme zum Einsatz, die heißes Thermalwasser fördern. Über 42 hydrothermale Heizwerke gibt es in Deutschland, und an neun Standorten wird tiefe Geothermie auch zur Stromerzeugung genutzt, wie die Bundesregierung bestätigt.
Das Potenzial der Geothermie in Deutschland
Aktuelle Nutzung und Chancen
Die Geothermie wird in Deutschland bereits genutzt, aber ihr Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Studien zeigen, dass die tiefe Geothermie theoretisch bis zu einem Viertel des deutschen Wärmebedarfs decken könnte. Eine Metastudie des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik (LIAG) kommt zu dem Schluss, dass ein Umbau des Wärmesektors auf erneuerbare Energien ohne Geothermie kaum möglich ist. Experten schätzen, dass Geothermie bis zu 42 % des Wärmebedarfs für Raumwärme und Warmwasser decken könnte. Der Bundesverband Geothermie sieht in der Erdwärme das größte ungenutzte Ausbaupotenzial aller erneuerbaren Wärmearten.
Regionale Schwerpunkte und Herausforderungen
In Deutschland gibt es Regionen, die sich besonders gut für tiefe Geothermie eignen. Dazu gehören das Süddeutsche Molassebecken (vor allem um München), der Oberrheingraben und das Norddeutsche Becken. In München entsteht Europas größte tiefe Geothermie-Anlage, die 80.000 Menschen mit Wärme versorgen soll. In Graben-Neudorf realisiert die Deutsche Erdwärme ein Projekt zur Strom- und Wärmeerzeugung. Tiefe Geothermie ist jedoch komplex. Herausforderungen sind die Schaffung von Fließwegen in Gesteinen, die Bohrtechnik und die seismische Überwachung, wie Beispiele bei Wikipedia zeigen.
Forschung und Entwicklung
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) forscht intensiv, um die Geothermie weiterzuentwickeln. Projekte wie “GeneSys Hannover” und “Warm-Up” zielen auf tiefere Gesteinsschichten ab. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Forschung. Ein vielversprechender Ansatz ist die “Loop-Technologie” in Geretsried, die ohne Thermalwasserförderung auskommt und die Geothermie standortunabhängiger machen könnte. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) betont die Bedeutung der Geothermie.
Wege zur Erschließung des Potenzials
Politische und rechtliche Rahmenbedingungen
Der Bundesverband Geothermie fordert eine nationale Strategie, die den Ausbau unterstützt und einen Rahmen für Geothermieprojekte schafft. Regionale Unterschiede müssen berücksichtigt werden. Konkrete Handlungsempfehlungen, wie einfachere Genehmigungsverfahren und die Ausbildung von Fachkräften, finden sich in der “Roadmap Oberflächennahe Geothermie” des Fraunhofer IEG. Konkret könnten Genehmigungsverfahren durch Digitalisierung und klare Kriterien beschleunigt werden, wie es das HLNUG in Hessen mit dem GeothermieViewer vormacht.
Ausbau von Infrastruktur und Fachkräften
Neben vereinfachten Genehmigungen ist der Ausbau der Infrastruktur entscheidend. Dazu gehört die Ausbildung von Fachkräften im Bereich Geothermie, wie sie beispielsweise der neue Masterstudiengang Geothermie an der TU Bergakademie Freiberg anbietet. Auch die Fraunhofer IEG Roadmap betont den dringenden Bedarf an Fachkräften im Bohrhandwerk.
Innovative Ansätze und Zukunftsperspektiven
Geothermie und Lithium
Ein innovativer Ansatz ist die Kombination von Geothermie und Lithiumgewinnung. Lithium, wichtig für Batterien, könnte als Nebenprodukt bei der Geothermie anfallen. Experten, wie in einem Science Talk mit Valentin Goldberg vom KIT, untersuchen die Machbarkeit. Dabei wird Lithium aus dem Thermalwasser extrahiert, was die Wirtschaftlichkeit erhöhen könnte.
Die Loop-Technologie
Die Loop-Technologie, die im Eavor-Projekt in Geretsried erprobt wird, ist ein weiterer Fortschritt. Hier zirkuliert Wasser in einem geschlossenen Kreislauf im Tiefengestein und transportiert Wärme, ohne dass Thermalwasser gefördert werden muss. Die Bundesregierung sieht darin großes Potenzial.
Geothermie in der Praxis
Projekte in Deutschland
Viele Projekte zeigen das wachsende Interesse an Geothermie. Das Praxisforum Geothermie Bayern ist ein wichtiger Branchentreff. Kommunen wie Schwerin und Kirchweidach-Halsbach nutzen Geothermie erfolgreich. In Hannover und im Vogtland laufen Erkundungsprojekte. Auch um München und in Ludwigshafen entstehen Projekte, wie auf TiefeGeothermie.de nachzulesen ist.
Wirtschaftliche und ökologische Aspekte
Geothermie bietet wirtschaftliche und ökologische Vorteile. Fernwärme aus Geothermie spart Kosten und ist preisstabil. Geothermieanlagen haben einen geringen Flächenbedarf und reduzieren CO2-Emissionen. In Bayern werden über 130.000 Haushalte mit Geothermie versorgt, was jährlich 613.000 Tonnen CO2 einspart. Das Praxisforums Geothermie.Bayern bestätigt die Preisstabilität.
Geothermie in Brandenburg
Auch in Brandenburg wächst die Bedeutung der Geothermie. Das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe LBGR verzeichnete 2023 viele Bohrungen für geothermische Zwecke. Das HLNUG berichtet von steigendem Bürgerinteresse.
Mehr als nur Wärme
Geothermie ist vielseitig. Sie dient nicht nur der Wärme- und Stromversorgung, sondern auch der Kühlung. Wärme kann in Kälte umgewandelt werden. Auch die Wärmespeicherung im Untergrund ist möglich. Erdwärme kann Verkehrsinfrastruktur im Winter frostfrei halten. Das Landesamt für Umwelt Bayern informiert über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten.
Der Weg in die Zukunft
Die Geothermie in Deutschland hat großes Potenzial. Trotz Herausforderungen überwiegen die Vorteile. Durch politische Unterstützung, Förderung, Forschung und klare Rahmenbedingungen kann das Potenzial der Erdwärme erschlossen werden. Geothermie kann zur Wärmewende, zum Klimaschutz und zur Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen beitragen. Es ist Zeit, diesen heimischen Energieschatz zu nutzen.